Eure Gesangsaufnahmen klingen zu dumpf, unnatürlich oder haben unangenehme Resonanzen und zu viel Raumklang eingefangen? Hier erfahrt Ihr, wie man auch zu Hause in akustisch nicht optimaler Umgebung in 3 Schritten einen professionellen Vocalsound hinbekommt.
Schritt 1: Geh singend durch deinen Raum
Jeder Raum hat einen Sweetspot, in dem sich deine Stimme/Instrument optimal entfalten kann. Eine Stelle, an der der Raum dich unterstützt, statt dir im Weg zu stehen. Diese Stelle kannst Du am einfachsten ohne Mikrofon und ohne Kopfhörer finden indem Du einfach durch den Raum gehst und dabei deinen Song singst.
Wie finde ich den Sweetspot meines Raums für Gesangsaufnahmen?
Erfahrungsgemäß ist diese Stelle oft in Nähe der Mitte des Raumes, weil man hier den größtmöglichen Abstand zu den Wänden hat. Hast Du die Stelle gefunden? Dann hol dein Mikrofon und stelle es so auf, dass Die Frontseite des Mikrofons auf die am weitesten entfernteste Wand zeigt. Optimalerweise ist an dieser Wand absorbierendes Material angebracht, damit minimale Reflektionen in die empfindliche Seite des Mikrofons gelangen können.
Brauche ich teure Absorber oder Diffusoren?
Du brauchst keine teuren Akustikelemente zu kaufen, selbst eine Couch, ein Bücherregal oder alles was harte Reflektionen unterbindet verbessert deine Aufnahmequalität. Auf keinen Fall solltest Du in einem Kleiderschrank oder in einem zu stark absorbierendem Raum/Kabine voller Noppenschaum aufnehmen, denn das macht den Klang deines Gesangs flach, dumpf und unnatürlich.
Schritt 2: Mikrofon Positionieren und der richtige Abstand zum Mikrofon
Für Gesangsaufnahmen im Homestudio oder Wohnzimmer solltet Ihr ein Mikrofon mit Nierencharakteristik verwenden. Empfehlenswert sind Großmembran Kondensatormikrofone, aber auch dynamische Mikrofone wie z.B. ein Shure SM57 haben ihre Vorteile in akustisch schlechteren Umgebungen (erfordert jedoch meist mehr Nachbearbeitung).
Wie postitioniere ich ein Mikrofon im Homestudio für Gesangsangsaufnahmen?
Beginnen solltet Ihr mit dem Mikrofon bzw. der Mikrofonkapsel auf Höhe der oberen Lippe und einem Abstand zum Mikrofon von 15-20cm (bei dynamischen Mikrofonen etwas weniger). So solltet Ihr einen relativ ausgewogenen und vollen Klang erzielen, mit Artikulation und Natürlichkeit. Wenn der Klang noch nicht optimal ist oder nicht zum Song passt könnt Ihr ihn durch folgende Mikrofonpositionierungen beeinflussen:
Gesang klingt zu dünn?
Versuche das Mikrofon etwas tiefer zu positionieren, so dass es auf das Kinn zeigt. Dadurch nimmst Du mehr von deinen Brustresonanzen auf und weniger von der Artikulation deines Mundes. Auch kannst Du das Mikrofon auf Mundhöhe lassen und nach unten neigen, so dass es auf dein Kinn zeigt. Beides führt zu mehr Bass im Gesang.
Gesang klingt zu undefiniert oder etwas dumpf?
In diesem Falle solltest Du das Mikrofon höher positionieren – auf Augen- oder Nasenhöhe. Eine weitere Möglichkeit ist das Neigen des Mikrofons nach oben, so dass weniger Brustresonanzen aufgenommen werden.
Zu viel Raumklang auf der Aufnahme?
In diesem Fall hilft es etwas näher an das Mikrofon heranzugehen, da so das Verhältnis von Direktsignal zum Raum verbessert wird. Zu nah solltest Du jedoch nicht ans Mikrofon gehen, weil sonst eine starke Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt deinen Sound verfälscht. Dies kann man zwar mit EQ kompensieren, aber auch nur in einem gewissen Umfang.
Schritt 3: Der richtige Aufnahmepegel und Kopfhörermix
Leider sehe ich immer und immer wieder Aufnahmen, die einfach zu laut gemacht wurden, schon kurz vorm Clipping stehen oder bereits an einigen Stellen clippen. Dies hat oft den Grund, dass gegen ein viel zu lautes Instrumental angekäpft wird und der Preamp unnötig weit aufgedreht wird, damit der Künstler sich hören kann. Das ist auf keinen Fall nötig!
Wie stelle ich den Gain am Interface richtig ein?
Ziel ist es einen ordentlichen Headroom für das spätere Abmischen zu haben und niemals mit einem Pegel aufzunehmen, der über -6dBfs hinausgeht (lauteste Stelle). Der durchschnittliche Pegel sollte zwischen -12 und -18dBfs liegen. Wenn Ihr es zum Abhören lauter braucht macht Ihr das in eurer DAW oder Monitoringsoftware – nicht am Preamp eures Audiointerfaces. Wo wir auch schon beim Kopfhörermix wären:
Was muss ich beim Kopfhörermix beachten?
Ziel eines Kopfhörermix ist es, dass der Sänger sich wohlfühlt und so hört, dass er optimal performen kann. Wenn Ihr auf einem fertigen Instrumental oder verschiedenen Backingtracks aufnehmt, achtet auf das Gainstaging. Lasst genügend Headroom, so dass der Gesang sich durchsetzen kann ohne, dass Ihr den Preamp zu laut aufdrehen müsst. Also erst andere Spuren leiser machen, bevor Ihr zum Gain-Knob am Interface greift.
Wenn der Sänger zu zurückhaltend singt, mach seine Stimme etwas leiser, damit er sich etwas mehr anstregen muss und besser artikuliert. Bei Intonationsproblemen kann es helfen einen Hall auf die Stimme zu legen oder eine Seite der Kopfhörer nur halb aufzusetzen, so dass sich der Sänger im Raum mithört.
Nochmal alles zusammengefasst
- Sucht den Sweetspot in Eurem Raum, an dem sich die Stimme optimal entfaltet. (In der Regel in Nähe der Raummitte)
- Sucht nach einer Mikrofonpositionierung, die am besten zur Stimme und zum Song passt.
- Stellt den Gain am Preamp/Audiointerface ein: Nicht zu laut und niemals lauter als -6dB an den höchsten Peaks.
- Erstellt einen Kopfhörermix, mit dem sich der Sänger wohlfühlt.
- Viel Spaß beim Aufnehmen und Abmischen Eurer erstklassigen Gesangsaufnahme!
Seitdem ich diese Schritte beachte, klingen meine Aufnahmen direkt professioneller und benötigen nur noch minimale Nachbearbeitung! Probiert es aus und lasst mich in den Kommentaren wissen, ob Ihr in eurem Raum und mit eurem Equipment auch einen solchen Sweetspot finden konntet.